mittendrin und voll daneben
LFT 2004 in Mittelhessen – 30 Jahre LFT
Wir, die Orgalesben des LFT 2004, kommen aus drei verschiedenen Städten: Alsfeld – Gießen – Marburg und vom Land im Umkreis. Damit haben wir räumliche Entfernungen zwischen uns, über die hinweg wir uns aufeinander zu bewegen müssen, wenn wir uns begegnen wollen.
Natürlich sind wir sehr unterschiedlich. Wir versuchen diese Unterschiedlichkeiten zum Tragen zu bringen statt einfach den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Miteinander und Kommunikation haben für uns einen hohen Stellenwert – zum einen in der Orga, und zum anderen hoffen wir, dies für das LFT 2004 auch mit euch leben zu können. Wir streben mehr Eigentätigkeit aller und weniger Konsum an.
Mit Euch gemeinsam veranstalten wir ein LFT jenseits der Großstädte und machen Landlesben sichtbar. Uns ist wichtig, ein möglichst ökologisches LFT auszurichten.
Wir wünschen uns ein LFT, das sich politisch sowohl mit „Randthemen“ wie mit „Weltthemen“ befasst und übliche Zuordnungen in Frage stellt. Wir freuen uns auf politische Akzente.
Wir geben Spiritualität Raum. Wir laden ein, die eigene Mitte, den Weg von der Einsamkeit oder Zweisamkeit zur Gemeinschaft zu finden und auch das eigene Danebensein zu respektieren und zu lieben.
Mittendrin und voll daneben
Mitten im Leben
Und voll daneben: anders und stolz!
2004 wird das LFT 30 Jahre alt
Anlass zu Reflexion und Selbstbezug, zu Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Und natürlich auch Anlass zu feiern.
Das LesbenFrühlingsTreffen hat eine lange Tradition, und es hat sich im Laufe der Jahre sehr verändert. Größer, bunter, teurer, vielfältiger? Und gleichzeitig kommen viele Lesben nicht (mehr). Wir wünschen uns, dass wir alle uns mit dieser Geschichte und der Entwicklung des LFT auseinandersetzen. Wir erhoffen uns Diskussion und bewussten Umgang damit. Wir sind mitten im Prozess.
Wir laden zu einem LFT ein, das zu sich als LFT und zu gesellschaftlich relevanten Zusammenhängen Stellung bezieht.
Wir begreifen das LFT als Bestandteil einer Gesellschaft, die von Gewalt, Hierarchie und Widersprüchen geprägt ist. Es gibt auch Bewegungen für Respekt, Würde und Lebenslust. Wie sich das LFT darin positioniert, das entscheiden wir alle.
Strukturelle Gewalt - Konkrete Gewalt Lesben, die mit Beeinträchtigungen leben / AndersFähige Lesben / Lesben mit Behinderung Internationalismus - Ökologie - Spiritualität Transgender / Transsexualität - SM Sextoys - Alter der Jungs - HündInnen
Strukturelle Gewalt
Wir betrachten verschiedene Formen von gesellschaftlicher, struktureller Gewalt als ineinander greifende Mechanismen. Dazu gehören Faschismus, Rassismus, Kapitalismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit... und auch FrauenLesbenfeindlichkeit.
Wir gehen davon aus, dass das LFT keine Insel ist, auf der das alles nicht stattfindet. Wir sind auch auf dem LFT mit z.B. FrauenLesbenfeindlichkeit konfrontiert. Aber das LFT ist ein Ort, auf dem wir das nicht haben wollen. Wir wollen uns kritisch mit Strukturen und Formen der Gewalt auseinander setzen und sie in ihrer individuellen Ausprägung nicht akzeptieren.
Konkrete Gewalt
Wir lehnen alle Formen körperlicher, verbaler, psychischer und sexueller Gewalt ab. Sie sollen auf dem LFT keinen Raum bekommen.
Dazu gehört selbstverständlich die sexuelle Ausbeutung von Kindern, die weder mit Liebe noch mit Sexualität zu tun hat - bisher als „Lesben, die mit Kindern Sexualität haben oder befürworten“ oder „pädophile Lesben“ bezeichnet.
Lesben, die mit Beeinträchtigungen leben AndersFähige Lesben Lesben mit Behinderung
Wir setzen uns für die selbstbestimmte, gleichberechtigte, barrierefreie Teilnahme aller am LFT interessierten Lesben mit Behinderung ein.
Lesben, die mit Einschränkungen leben, werden vor allem durch den negativen Umgang der Gesellschaft bzw. einzelner Menschen mit ihrer Einschränkung erst zu “Behinderten”. Wichtig ist uns die Wahrnehmung der Kräfte, Fähigkeiten und Bedürfnisse der Lesben mit Behinderung.
Dem gesellschaftlichen Prozess der Behinderung können wir zum einen unseren Sensibilisierungsprozess entgegensetzen, in den unterschiedliche Lebenserfahrungen eingehen. Zum anderen setzen wir unser Engagement für angemessene Bedingungen für andersFähige Lesben auf dem LFT dagegen. Dabei wird uns bewusst, wo wir zunächst gesellschaftliche behindernde Strukturen weiterführen und wo wir diese loslassen können.
Internationalismus
Wir haben den Anspruch, der Internationalismus-Antirassismus-Auseinandersetzung Raum und Zeit auf dem LFT zu geben.
In den letzten Jahren wurden und werden immer wieder in der Konstruktion eines großen "wir Lesben” Unterschiede und Hierarchien ignoriert und auch damit verfestigt.
Unsicherheit, Misstrauen und letztlich eine politische Lähmung sind Folgeerscheinungen.
Unser Anliegen ist es, auf dem LFT die Möglichkeit zu schaffen für die Thematisierung strukturellen Rassismus, für Austausch und Auseinandersetzung Schwarzer Lesben, Lesben mit Migrationshintergrund und Jüdinnen, für die Sensibilisierung verinnerlichter Ausprägungen von Rassismus und Machtstrukturen und für neue gemeinsame Erfahrungen. Wenn wir lernen, Unterschiede nicht als Bedrohung und Abgrenzung zu begreifen, sondern als Stärke wahrzunehmen, dann können wir Hierarchien abbauen und unsere unterschiedlichen Erfahrungen und Fähigkeiten als Kraft zur Veränderung nutzen. Wir werden neue Handlungsspielräume entwickeln.
Ökologie
Ökologisches Bewusstsein ist uns Orientierungsmöglichkeit bei Entscheidungen. Technik akzeptieren wir, wo sie wichtig und unvermeidbar ist. Spiritualität erleben wir als wichtigen Aspekt von Ökologie. Unsere persönlichen Ressourcen zu schützen ist uns wichtig, so dass auch für die Orgalesben das LFT ein angenehmes Ereignis sein kann.
Wir möchten mit unseren erdgegebenen Ressourcen möglichst schonend und achtsam umgehen. Dabei geraten wir in das Spannungsfeld zwischen unseren Visionen und dem, was praktisch umsetzbar ist. Bestimmend dabei sind die LFT-Finanzsituation, die Gegebenheiten unserer Veranstaltungsräumlichkeiten, die Größe des LFT, sowie die weiten Wege, die wir zurücklegen.
Wir lernen und wachsen daran.
Konkret geplant sind z.B. ein Spülmobil und Leihgeschirr, Bioessen aus der Region, Mülltrennung, ein Programmheft aus Recyclingpapier und eine Zeltstadt, ausserdem Workshops, in denen Ökologie Raum bekommt.
Spiritualität
Das Lesbenfrühlingstreffen möchte auch einen Raum für Spiritualität öffnen, in dem wir uns gegenseitig Raum lassen. Jede mag ihre Energie-Quellen und ihre Art der Achtsamkeit leben können, spirituelle wie nicht-spirituelle. Es ist schön, wenn wir miteinander geistigen Reichtum teilen, offen weitergeben, schauen, zuhören und staunen können. Kräfte wie Verbindungen mit der Göttin, dem Christusbewustsein, dem Großen Geist, einer Höheren Macht, dem Licht oder einer Kosmischen Intelligenz, können uns begleiten und uns auch für diese vier Tage ein Ort des Ankommens, Annehmens und Lebenskraft-spürens sein.
Transgender / Transsexualität
Auch bezüglich Transgender / Transsexualität haben wir unterschiedliche Positionen in der Orgagruppe. Dabei verlaufen die Widersprüche nicht mal in erster Linie zwischen uns, sondern in jeder einzelnen von uns.
Wir wollen ein LesbenFrühlingsTreffen organisieren.
Es gibt das Bedürfnis, offen zu sein, den Anspruch, die Biologie nicht zum Maßstab zu machen. Der Maßstab der Selbstdefinition der Besucherinnen (als Lesbe) löst jedoch nicht alle Fragen und Probleme.
Was wir eindeutig ablehnen, ist Machoauftreten, Übergriffigkeit, Respektlosigkeit und Dominanzverhalten – und das eigentlich auch unabhängig vom biologischen oder dargestellten Geschlecht. In Wirklichkeit ist es aber meist abhängig voneinander.
Viele von uns teilen den Anspruch und Wunsch, Geschlechterrollen und –zuweisungen aufzulösen. In der Praxis aber erleben wir Transgender / Transsexualität häufiger als Reproduktion und erneute Vereindeutigung von Geschlechterrollen und -bildern, denn als Infragestellung.
Große Schwierigkeiten haben wir mit patriarchal-medizinischen Eingriffen am Körper. Wenn es - in dieser Gesellschaft - nicht möglich ist, in welchem Körper auch immer das zu leben, was für eine stimmig ist, möchten wir an diesen gesellschaftlichen Bedingungen etwas ändern und das Akzeptieren des individuellen Körpers unterstützen. Wir wissen aber auch um den individuellen Leidensdruck, der der Entscheidung zu solchen operativen Eingriffen zugrunde liegen kann.
Wir erkennen unterschiedliche Identitäten (Lebensentwürfe, Selbstdefinitionen) an. Das ist nicht gleichbedeutend damit, das LesbenFrühlingsTreffen für alle Identitäten zu öffnen. Es gibt welche von uns, die ein LFT für als Frauen geborene und sozialisierte Frauen veranstalten wollen. Es gibt welche, die ein offeneres LFT wollen.
Jedenfalls gibt es Fragen und Widersprüche bei den Themen Transgender / Transsexualität, denen wir uns bewusst zuwenden wollen. Auch die scheinbar selbstverständliche Entwicklung der LFTs in den letzten Jahren möchten wir gern kritisch reflektieren. Wir wollen den Unterschiedlichkeiten Rechnung tragen, indem wir ermöglichen, Workshops mit konkreten Einladungen zu kennzeichnen.
SM
Zu SM können wir als Orgagruppe keine einheitliche Stellung beziehen. Von „SM ist Gewalt ... ist ein Politikum“ bis „SM ist lustvolle Sexualität ... ist reine Privatsache“ finden sich alle Positionen bei uns wieder. Da gibt es derzeit inhaltlich auch keinen Mittelweg. Deshalb wollen wir den unterschiedlichen Perspektiven und Diskussionen auf dem LFT Raum geben.
Im konkreten Umgang auf dem LFT brauchen wir natürlich Kompromisse. Weder ein LFT ganz ohne SM-Themen noch ein SM-tolerantes LFT sind für alle denkbar. SM-Interessierte sollen die Möglichkeit haben, sich zu informieren und auszutauschen, SM-Ablehnende sollen die Möglichkeit haben, mit SM nicht konfrontiert zu werden. Daher haben wir uns dafür entschieden, dass SM als Thema auf dem LFT okay ist, dass wir aber keine Performance, kein öffentliches Zelebrieren und keinen Playroom anbieten. SM-Veranstaltungen werden gekennzeichnet, die Stände abgetrennt. Kritische Veranstaltungen dazu sind willkommen.
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